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Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) hat heute einem Eilantrag gegen das baden-württembergische Beherbergungsverbot für Gäste aus deutschen Regionen, in denen die 7-Tage-Inzidenz von 50 neu gemeldeten SARS-CoV-2-Fällen pro 100.000 Einwohner überschritten wurde, stattgegeben. Die Antragsteller aus dem Kreis Recklinghausen hatten einen Urlaubsaufenthalt vom 16. bis zum 23. Oktober 2020 im Landkreis Ravensburg gebucht. Am 10. Oktober 2020 wurde im Kreis Recklinghausen die 7-Tage-Inzidenz von 50 neu gemeldeten Sars-CoV-22 Fällen pro 100.000 Einwohner überschritten.

Die Kläger argumentierten, dass das Beherbergungsverbot den mehr als 2.000 Euro teuren Aufenthalt in der gebuchten Unterkunft unmöglich mache und daher unverhältnismäßig und willkürlich sei. Die Möglichkeit zur Vorlage eines negativen Coronatests diskriminiere Gäste aus Regionen mit schlechten Testkapazitäten und Familien. Es sei bei vorangehenden Testungen in der Familie nie gelungen, das Testergebnis innerhalb von weniger als 72 Stunden zu erlangen. Zudem müsse der Test privat bezahlt werden, die Kosten von insgesamt rund 775 Euro belasteten die Familie mit ihren drei Kindern erheblich. Die Landesregierung hielt dagegen, dass zahlreiche Ferienregionen im Hinblick auf die Eindämmung des Infektionsgeschehens in der jüngeren Vergangenheit sehr gute Erfahrungen mit Reisebeschränkungen gemacht hätten. Angesichts von mehr als 5.000 nachgewiesenen Neuinfektionen pro Tag sei aktuell nicht die Zeit, Beschränkungen zurückzunehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof folgte der Argumentation der Reisenden und setzte §§ 2 und 3 der Coronaverordnung Beherbergungsverbot mit sofortiger Wirkung vorläufig außer Vollzug. Das Beherbergungsverbot greife in unverhältnismäßiger Weise in das Grundrecht auf Freizügigkeit aus Art. 11 Abs. 1 GG ein und sei daher voraussichtlich verfassungswidrig. Die Vorschrift diene zwar dazu, Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potenziell großen Zahl von Menschen abzuwehren und die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems in Deutschland durch die Verlangsamung des Infektionsgeschehens sicherzustellen. Jedoch habe das Land nicht dargelegt, dass im Zusammenhang mit der Beherbergung ein besonders hohes Infektionsrisiko bestehe, dem mit so drastischen Maßnahmen begegnet werden müsste. Derzeit seien trotz steigender Fallzahlen in Deutschland keine Ausbruchsgeschehen in Beherbergungsbetrieben bekannt. Vielmehr sei aktueller „Treiber“ der Pandemie das Feiern in größeren Gruppen oder der Aufenthalt in Bereichen, wo die Abstands- und Hygieneregeln aufgrund räumlicher Enge, z.B. in der Schule oder in verschiedenen Wohnsituationen (z.B. Pflegeheimen oder Flüchtlingsunterkünften) nicht eingehalten würden.

Zudem sei den Antragstellern nicht zumutbar, sich auf die Möglichkeit verweisen zu lassen, negative Coronatests vorzulegen. Nach derzeitiger Sachlage erscheine es nicht hinreichend gewährleistet, dass ein solcher Test von Reisenden überhaupt so kurzfristig erlangt werden könne.

Der Beschluss ist unanfechtbar (Az. 1 S 3156/20).